SHOW: Take a walk in my shoes Gangway e. V. 15. Oktober 2010 In musikalischen, theatralischen und visuellen Beiträgen, haben wir eine Show zusammengestellt, die dem Publikum die Möglichkeit gab, in die Geschichte von Gangway einzutauchen. Für alle die, die da waren, hier noch mal ein kleiner Rückblick und noch mal zum Nachlesen einige der Texte! Wir danken allen AKTEUREN für das tolle Gelingen der Show! Spider mit seiner Lesung der Geschichte Der BettlerAuf dem Bürgersteig der Schönhauser Allee spielt ein Mann auf einem in den achtziger Jahren verrückt gewordenen Akkordeon. Vor den beiden liegt eine Mütze im Weg, in der ein paar Münzen schlafen. Menschen telefonieren mit ihren Fotoapparaten. Kaffee wird im Pappbecher spazieren geführt. Ein Junge mit Rastas versucht Abonnenten für eine Tageszeitung zu gewinnen. Mädchen verteilen Handzettel. Junge Tierschützer bauen gemeinsam ein Hindernis auf dem Gehweg auf und essen dann gemeinsam Bratwurst. Frauen eilen vorbei mit Kopftuch und Männer mit Burka. Kinder mit Zigaretten. Anzüge und Krawatten. Alle arbeiten. Alle machen Geschäfte. Auch die Hunde machen Geschäfte. Hunde ziehen ja Menschen nach sich. Man kann das häufig sehen, wie Hunde Menschen hinter sich herziehen, oft sogar an einer Leine. Verschlissene Urgroßmütter in Kittelschürzen. Kleine Mädchen mit Zöpfchen und Schleifchen, kaum unterscheidbar von den Hündchen, die sie herumführen. Breitärschige Frühpensionäre. Stinkepunks. Eine Vielfalt an Arten Rassen und Züchtungen. Es gibt keinen Menschen, der nicht, so absurd er auch sein mag, einen Hund findet, der sich für ihn begeistern kann. Und die Hundehalter freuen sich, denn was sie zu Hause mit ihren Hunden machen, wäre mit Kindern nicht erlaubt. Hundelose Ehepaare führen ihre Kinder Gassi. Auf dem Bürgersteig der Schönhauser Allee. Polizisten schwitzen. Teenager schwatzen. Allergiker rotzen. Touristen aus den umliegenden Herbergen flanieren zu den naheliegenden Cafés. Allein lehnt ein Mann an einer Säule und hält einen Becher in der Hand. In den Becher soll man etwas hineintun. „Ein bisschen Kleingeld bitte“, sagt der Mann. Ich habe kein Kleingeld. Ich habe bloß große Scheine. Soll ich ihm einen Zwanziger geben? Oder ist das zu viel? Wie viel soll ich dem Mann geben? Und warum überhaupt? Der Mann bettelt. Er verkauft keine Springer-Zeitung, er bittet nicht um Spenden für den Kinderschutz er spielt nicht mal ein Instrument. Er will Geld für gar nichts. Er ist erfreulich unaufdringlich. Er nervt nicht und er stört nicht. Er will mir nichts geben, was ich nicht brauche. Im Gegenteil, etwas, was ich brauche, will er haben. Geld. Keine überflüssigen, sinnlosen Produkte, nichts, was ich später wegwerfen muss, will er mir aufdrängen. Keine Zeitung, die mich langweilt, für die aber Wälder abgeholzt werden, keinen Handyvertrag, den ich nicht brauche, kein überhaupt nichts. Der Bettler ist das ideale Vorbild des Lohnarbeiters. Er ist selbstständig tätig, kein Unternehmer leidet seinetwegen an den unglaublich hohen Lohnnebenkosten. Er fordert keinen überhöhten Tarif. Ja, er akzeptiert sogar Kunden, die überhaupt nicht zahlen. Auch unter ökologischen und sozialen Gesichtspunkten ist der Bettler ein Vorbild. Er vergeudet keine Energie und keine Rohstoffe für die Herstellung sinnloser Produkte. Er gibt niemandem das Gefühl, zu viel bezahlt und zu wenig bekommen zu haben. Er schont die Ressourcen und vermeidet überflüssigen CO2-Ausstoß. Seine Tätigkeit richtet keine Schäden an. Er nimmt niemandem die Arbeit weg. Er kontrolliert keine Fahrkarten. Er exportiert keine Personenmienen. Er verspricht nicht, den Hartz-IV-Empfängern in den Arsch zu treten, wenn man ihn ins Parlament wählt. Und er ist, bei allen Vorzügen, so bescheiden, dass er, mit gesenktem Haupt und altem Becher, den Menschen empfiehlt, das zu geben, was sie für richtig halten – während andere mit Krawatte, Kokain und Kabriolett Umwelt und Menschheit ruinieren und dafür noch Spitzengehälter einfordern und dann aber trotzdem immer noch Gründe finden, zu jammern. Der Bettler arbeitet an hässlichen Orten, bei schlechter Witterung und mit unfreundlichen Menschen. Er verdient unsere Achtung. Seine Tätigkeit ist sinnlos, aber nicht nutzlos. Er nutzt sich selbst, denn er braucht Geld. Jeder Mensch braucht Geld. Das kann man niemandem übel nehmen, auch dem Bettler nicht. Viele Menschen arbeiten sogar für Geld, und das kann man ihnen häufig übel nehmen, dem Makler, dem Geiz-Mann, der Callcenter-Agentin. Zum Glück ist nicht genug Arbeit für alle da. Wer weiß, was für einen Unsinn der Mann, der da bettelt sonst treiben müsste. Eigentlich gibt es sogar viel zu viel Lohnarbeit, die nervt und die schadet. Der Bettler nervt nicht. Der Bettler klaut nicht und betrügt nicht. Trotzdem hat er ein schlechtes Prestige. Niemand möchte mit ihm tauschen. Viele würden lieber stehlen, als zu betteln. Dabei ist stehlen schlecht. Betteln nicht. Arbeiten manchmal. Der Bettler arbeitet nicht im herkömmlichen Sinne. Er verdient Geld. Wie so viele, bloß weniger. Das kostet ihn Zeit. Wie jedem Werktätigen. Der einzige Unterschied ist der, dass der Bettler das überflüssige Produkt oder die lieblos hingepfuschte Dienstleistung einfach auslässt. Er verwirklicht den Sinn der Lohnarbeit mit einem Minimum an Entfremdung. Eigentlich ist es ein Unding, dass der Bettler auf die unzuverlässige Zahlungsmoral der Passanten angewiesen ist. Könnte das nicht der Staat übernehmen, dem Bettler einfach einen angemessen Betrag geben, damit der sich nicht die Beine in den Bauch stehen und die anderen Menschen die Zeit stehlen muss? Da würde der Staat mal was vernünftiges machen. Und das Geld, dafür, das könnte er als Steuer eintreiben. Und diesess Geld, könnte nicht nur der Bettler, das könnten eigentlich alle kriegen. Auch die, die gar nicht betteln, sondern arbeiten. Für falls sie es sich mal anders überlegen. Das wäre in manchem Fall ja sogar sehr nützlich. Leider funktioniert die Welt noch nicht so. „Ein bisschen Kleingeld bitte“, bittet der Mann mit dem Becher in der Hand. Und ich habe nur Banknoten dabei. Soll ich ihm einen Zwanziger geben? Einen Fuffi? Das ist sehr viel für einen armen Künstler wie mich. Das kann ich mir eigentlich gar nicht leisten, außer ich fange zusätzlich zur Schriftstellerei auch noch an, quasi im Nebenjob, zu betteln. Dann bettle ich sozusagen für den Bettler. Ob der Bettler auch manchmal anderen Bettlern was gibt? Jedenfalls habe ich es nicht klein. Aber vielleicht kann er ja wechseln. Ich sehe in seinen Becher. Nein, schade. Er kann nicht wechseln. In seinem Becher sind ebenfalls nur große Scheine. Das ist heute eben einfach nicht unser Glückstag. Manchmal ist es wie verhext. Ghitta Spita mit einem sehr berührendem Geburtstagssong: Happy Birthday Gangway es begann alles als ich gerade mal 5 jahre war 1990 wollte sich der staat was wagen es sollten streetworker durch unsere straßen traben wo alle jugendlichen hinkönnen wenn sie fragen haben aus den versprochenen 40 jugendsozialarbeitern wurden neun mit eim guten ohr für strassenfighter doch schon nach 3 kurzen monaten der schock denn der staat wollte sparen und wenn möglich alles stoppen doch das bezirksamt neukölln hat sich gewehrt alles was geredet wurde hat sich dann geklärt und im februar 91 kam der erste sitz in der manteufelstrasse im herzen von “36” jetzt hatte gangway schon zwei, drei dutzend mitarbeiter hhaaahaaaaa, seht ihr, sie sind nicht gescheitert ganz im gegenteil es hat viel gebracht deshalb wurde auch im osten ein büro aufgemacht jährlich stieg der anteil der gefährlichen jugend und es war nicht immer leicht ihre wärme zu suchen dann hieß es öfter auch mal learning by doing und die referenzen zeigen, dass das zuhören sehr gut ist wer sich drauf einlässt, hat eine chance aus der kriminalität rauszujumpen sie zeigen die richtung, du gehst den weg stolperfallen räum sie dir aus den weg, dass du bestehst keine zusammenarbeit mit der polizei war dem gangway verein immer wichtig und heilig das gibt vertrauen und mann ist nicht so steif und nicht zögerlich wenn sie dich zum gericht begleiten sie sind richtig tight man, doch noch mangelware weil der staat sich weigert jeder antrag wartet ich glaube unsere regierung spricht ne andere sprache scheißegal denn heut wird gangway,20 jahre REFRAIN von links nach rechts schwenkt die arme für gangway b.day fest 20 jahre dg gratuliert mit rap´s dieser abend war gut es gab bier und sekt hände hoch, und von links nach rechts wer nicht bei war sieht´s später im internet 2 jahrzehnte, die fete war überfett happy birthday gangway genießt den track Für jeden direkt, behandelt jeden gleich Gangway ist auch für jeden, jederzeit 20 Jahre schon, man, was das heißt Unser größter dank: es ist schön dass ihr da seid! Jedes mal wenn man was braucht oder in trauer ist Die laune im eimer oder man nur sauer ist 7300 Tage ohne ausnahme in der miesen lage juli 2008 wurd ich endlich entlassen bila sagte mir du kannst bei gangway was machen im job inn, traf ich semih und astrid und sie rieten mir jetzt aus meinem leben was zu machen duman war zu der zeit bei der rap-oper tätig was tanja da geleistet hat war echt erheblich und dann kam langsam aber sicher legal leben alleine schon der name hat mir sicherheit gegeben ich lernte joe kennen und später dann eva die workshops machten mich zum lehrer oder trainer dann wurd ich model auf der fashion week kati und elvira haben ein preis für das projekt verdient irgendwann traf ich auch banu und olad die beiden coolsten in der gangway patrouille sie haben duman und mir ne wohnung klargemacht und wir durften nach new york yo das war zu krass kurz darauf ging es rauf auf den zweiten sampler, die scheibe bleibt der renner der zweite streich von kati und elvira waren die sieben helden mit dabei die füchse und maria es gibt so viel positives zu berichten doch ein song is zu kurz es wäre viel mehr ne geschichte natürlich möchte ich heute alle mitarbeiter ehren ich bin ein gangway fan das kann ich nicht verbergen REFRAIN von links nach rechts schwenkt die arme für gangway b.day fest 20 jahre dg gratuliert mit rap´s dieser abend war gut es gab bier und sekt hände hoch, und von links nach rechts wer nicht bei war sieht´s später im internet 2 jahrzehnte, die fete war überfett happy birthday gangway genießt den track Sookee mit ihrem Monolog Nereden Nerede Nereye Woher wissen wir? Woher wissen wir die Dinge, die wir über Menschen zu wissen glauben? Woher nehmen wir die Arroganz zu glauben, dass die Dinge, die wir über Menschen zu wissen glauben, der Wahrheit entsprechen? Welche Wahrheit soll das sein, die zuschreibt, zementiert, bewertet, urteilt, verurteilt? Und Fuck Alter, das ist unser Alltag. Immer und immer und immer wieder stehen diese Bilder in der Gegend rum, die aus unseren Köpfen schleichen wie verlogene Denunzianten oder herausplatzen wie großschnäuzige Propagandisten. „Und Person X in der U-Bahn sieht schon so aus.“ Da ist kein Ansatz von Austausch. Und dennoch rattern die Raster. Alles ist total offensichtlich. Guck ihn dir doch an, Alter! Irgendwelche Experten werden das schon zu bestätigen wissen. Und Wissenschaft? Sowieso! Irgendeine Verhaltensforschung arbeitet doch dem öffentlichen Bewusstsein immer zu. „90 Prozent aller Personen mit den Merkmalen Y und Z neigen zu diesem und jenem Verhalten.“ Irgendeine Statistik zu Jugendkriminalität, Fernsehkonsum, Kopftüchern, Darkroom-Aktivitäten, räumlichem Vorstellungsvermögen, Gewaltbereitschaft, religiöser Praxis, Bildungsbiographien, Analsex, Alkohol und Drogenmissbrauch oder Moralvorstellungen geistert auf jeden Fall durch unseren Kopf, sobald wir die Glotze anstellen oder einen Fuß auf die Straße setzen. Wer ist diese Statistik? Wer ist diese Meinungsbildung? Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast! Bild dir keine Meinung! Ist das eine Wahrheit, die einen Mutigen braucht, der sie ausspricht? Große Lettern in hoher Aufl age, lassen zu wenig Raum für die Vielschichtigkeit, die sie zu überdecken suchen. Keine und keiner von uns weiß es. Außer diejenige Person, die zum Thema gemacht wird. Und wenn sie sich darin wieder fi ndet? Dann lass uns kommunizieren! Ich eine Frage. Du eine Antwort. „Und, ist es wirklich so, das, dies oder jenes?“ will ich wissen „Nee, nee! Woher hast denn du die Info? Was ist denn das für ‘ne Scheiße?“ sagst du dann. Und ich berichte dir von den strangen Bildern aus meinem Kopf, die mir einreden, sie seien unumstößliche Wahrheiten und die ich anderen anziehe, wenn ich meine, sie könnten passen. Du machst mir deutlich, dass das kneift und zwickt und dir die Luft zum Atmen nimmt. Woher wusste ich das? Woher weiß ich die Dinge, die ich über Menschen zu wissen glaube? Wissen glaube. Was‘n Widerspruch. Und ich frag mal nach, wenn du mich lässt. Xol Dog mit einem lauten und energiegeladenen Technogewitter, begleitet von jugendlichen Parcours-Akrobaten aus Hohenschönhausen Kaveh & Karim mit ihrem Song REBELLIER Rebellier Ich rebellier, aber nicht wie Osama Ich rebellier wie Ernesto Guevara Rebellier gegen Barack Obama Gegen Bomben auf Bagdad und Gaza Ich rebellier gegen Schäuble und Merkel Rebellier weil der Teufel noch mehr will Er will Blut sehen, dabei zu sehn Wie die Fluten seiner Flammen uns den Mut nehmen Ich rebellier gegen Faschos und Nazis Gegen Angriffe der US Army Ich kritisier mit dem Mikro auf Parties Und meditier bis mein Geist wieder klar sieht Ich rebellier gegen Sarkozy, gegen Putin oder Brown Gegen Macht und Krieg Immer zu mehr Ruhm und Geld, das ist das Motiv Und bleibt der Traum einer Welt mit mehr Harmonie Ich rebellier gegen hasserfüllte Bürgerkriege Ich protestier solange, bis ich aus der Firma fliege Ich rebellier gegen kommerzielle Radioketten, Unternehmer steuern Politiker wie Marionetten Und die Festung Europa erstickt Asylbewerber Und Flüchtlinge krepieren wegen dem Kalkül der Herrscher Ich rebelliere gegen das System Das Negative lass ich stehen und lass es gehen Ich rebellier wie meine Leute im Iran Ich rebellier für die Gefangenen und die Armen Ich rebellier gegen die wachsende Armut Von Buenos Aires und Kapstadt bis Baku Ich revoltier gegen Kaltblütigkeit Die Waffe ist mein Wort, denn Gewalt führt nicht weit Ich rebelliere und verkünde es laut: Dass ich für diesen Kampf noch mehr Verbündete braucht Ich rebellier dagegen, dass sie uns durchsuchen und aufgreifen Uns observieren und verfolgen oder ausweisen Dass sie Menschen ohne deutsche Pässe rausschmeißen Und sie wundern sich noch warum wir dann auskreisen Ich rebelliere als ob ich angstlos wäre Für die positive Atmosphäre Ich rebelliere gegen die hässlichen Taten Der Regierungen in den westlichen Staaten Ich rebellier gegen die große Erosion Gegen die Verschmutzung durch die toten Emotionen Und jetzt ist die Erde verschmutzt Die Aussichten düster wie die noch schwärzere Luft Ich rebellier gegen den Werteverlust Und trainier jeden Tag bis die Wärme verpufft Ich schreibe meine Verse bewusst Und suche voller Sehnsucht in der Ferne die Flucht Heiko mit der Erzählung Schwarze Ledermäntel und Neonazis im Rheinsteinpark Schwarze Ledermäntel und Neonazis im Rheinsteinpark (Geschrieben von Jan Becker) Wie so häufig beginnt es mit einem Anruf. Je länger ich darüber nachdenke, es beginnt eigentlich immer mit einem Anruf. „Kommt doch mal vorbei, zu unserer Arbeitsgruppe. Es gibt Ärger mit Jugendlichen in Karlshorst.“ Ein Satz wird gleich nachgeschoben. „Ärger mit Rechtsradikalen.“ Mit der Zusage zu kommen, lege ich den Hörer auf und denke mir, das fehlte noch, nun auch Karlshorst. Ein engagierter Pfarrer, der geladen hat, Stadtteilaktivisten, Initiativen gegen Rechtsextremismus und ihr „Timurtrupp“ von der Antifa. Die Liste ist lang. Sauforgien im Rheinsteinpark. Laute Musik und krakeelende Jugendliche. Nazi-Aufkleber und rechtsradikales Outfit. Es wurde beobachtet, wie Männer in schwarzen Ledermänteln oder Bomberjacken Propagandamaterial an Jugendliche verteilten. Spätestens jetzt werde ich unruhig. Das darf nicht sein. Spielt doch Karlshorst in meinen Überlegungen eines ruhigen Lebensabends eine nicht zu unterschätzende Rolle. Nein, versichere ich mir, ich bin nicht konservativ. Schweife in meinen Gedanken ab, sehe die schönen Einfamilienhäuser, die Parkanlagen und das viele Grün. Eine Gegend, wo meine sympathisch linksalternativen Westkollegen aus Moabit und Neukölln gern hinziehen würden, um ihren nunmehr schulpflichtigen Kindern die Auswirkungen einer gescheiterten Integrationspolitik zu ersparen. Waldorfkinder können sicher ihren Namen tanzen. Nur hat das leider niemand den anderen Kindern erzählt, auch nicht denen mit Migrationserfahrung. Noch in Gedanken oder später Erkenntnis, frühkindliche Erziehung in einem Waldorf-Kindergarten ist vielleicht doch nicht der beste Einstieg für einen Besuch auf der Rütli-Schule, höre ich immer deutlicher warnende Stimmen. Es bestehe die Gefahr, dass Karlshorst zu einer „No-Go-Area“ wird. Es gab Rostock und Mölln. Verheerend. Nicht zu Unrecht wird bei rechter Gefahr im Verzug jedes Gremium zu einem selbst ernannten Krisenstab. Die Schlagworte fallen. Regelmäßiger Austausch. Auflistung rechtsextremer Aktivitäten mit Postwurfsendung im Kiez. Nicht näher definierte, weil der Konspiration unterliegende Aktionen der Antifa. Stadtteilfeste gegen Rechtsextremismus. Einbindung der demokratischen Parteien. Gründung eines Aktionsbündnisses. Die Frage meines Kollegen, „Hat die jemand schon mal gesehen?“, wird kurz und knapp mit „Nö“ beantwortet. Der Vorschlag, unser Team kann sich mal umsehen, schafft es nicht einmal unter die Top Ten. Ich ärgere mich. Wie so oft, zu spät. Abends bei einem Glas Wein werde ich mutiger. Hatte nicht kürzlich ein LKA-Beamter von einem Rechtstourismus entlang der Straßenbahnlinie Karlshorst/Wuhlheide gesprochen? Hatte man nicht in einer dieser vielen Studien zum Rechtsextremismus 80% der Jugendlichen in Marzahn unter Nazi- und/oder Generalverdacht gestellt? Eine Sozialarbeiterin aus dem Bezirk zog tief Luft, bevor sie aussprach, was viele Kollegen im Raum dachten: „Wer vornehmlich kurze Haare und die üblich verdächtigen Klamotten zum Kriterium rechtsextremer Einstellungen macht und überbewertet, dass viele Jugendliche ,keinen Bock auf die unästhetische linke Zottelkultur‘ haben, für den muss allerdings jede Diskothek in Marzahn ein Kameradschaftstreffen sein.“ Gegen den Strom, politisch korrekt und überlegt vorgetragen. Ein einzigartiges Plädoyer für junge Menschen. War vor nicht allzu langer Zeit nicht auch der Kollwitzplatz zur „No-Go-Area“ erklärt worden? Und hatte mir die linksalternative Anwohnerschaft in einer Kiezrunde nicht unmissverständlich klar gemacht, dass sie keine trinkenden und prolligen Kindernazis, sei es auch nur aus dem Nachbarpark, auf ihrem Kinderspielplatz dulden? Nun gut, was soll es, wenn schon der dort wohnende Bundestagspräsident sich über den Lärmpegel des anliegenden Wochenmarktes beschwert. Ich war wirklich naiv. Kurz darauf, eher spielerisch und genüsslich, provozierte die Leiterin des Umwelt- und Grünflächenamtes den Rest meines Gottvertrauens. Alles halb so schlimm. Es gebe auch Stadtbezirke, wo Anwohner fordern, Bäume abzuholzen, da der Lärm der Vögel unerträglich und die Kontrolle über den davor liegenden Park nicht gewährleistet sei. Mutig ist es nicht, eher bescheuert, via Kopfbogen aus dem Bundestag, einen beliebten Markt vor der Haustür verbieten zu wollen. Eine Petition zur Rodung aller Bäume bis hin zur polnischen Grenze, vorgetragen vom „Verband aller Heimatvertriebenen/Ost“, zumeist rüstige und mit Fernglas ausgestattete Hochhausrentner, muss ein Bezirk allerdings schon ernst nehmen. Wahlen wird es immer geben. Verbal zornige Attacken über die misslungene Gestaltung einer Parkanlage sind nicht selten. Jugendliche träfen sich dort, hingen ab und machten Krach. Nur erfahrenen Bezirkspolitikern gelingt es, die Ausrufung des Notstands und die Bildung einer Bürgerwehr in friedliche Bahnen zu lenken. Aber noch ist nicht um Leib und Leben zu fürchten. Gehen Sie dagegen mal abends in einen Park, und versuchen Sie, die schönen Seiten eines Nazis zu entdecken. Wer jetzt Handschellen als Berufsbekleidung nicht steuerlich absetzen kann, ist klar im Nachteil. Eine Woche später. O.k.. Anfangen. Hingehen. Abgestimmt im Team, wir sprechen nicht gleich die Nazi-Sache an. Wir parken mit dem Kleinbus weit vor dem Park. Geschäftig bleibe ich zurück, weil ich unbedingt noch die Parkscheibe einstellen muss. Tage später sprechen mich meine Kollegen darauf an. Freitagabend sind Politessen in Karlshorst so selten wie ein Spieltag von Eisern Union am Montag. Auch gäbe es dort gar keine Parkzonen. Der Weg durch so einen Park kann sich hinziehen, vor allem, wenn man so vorlaut war, das Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismus nicht ernst zu nehmen: Der Bahnhof Lichtenberg ist traditioneller Treffpunkt der rechtsextremen Szene für Berlin-weite Aktionen. Wenn auch rückläufi g, zeichnet sich der Weitlingkiez durch Sympathieträger und Logistik aus. Union-Fans und Hooligans besetzen jedes zweite Wochenende die Achse zwischen den S-Bahnhöfen Karlshorst und Wuhlheide. Die Wut der Nationalen bezieht sich auf den so genannten schmachvollen Ort der deutschen Kapitulation. Mein Kollege versichert mir, dass in Lichtenberg eher Drogen vertickt werden. Heroinszene. Devotionalien und diverse illegale Geschäfte laufen gut. Der hat Nerven. Das macht die Sache nicht besser. Meine Schritte werden kürzer und die letzte Diskussion mit meiner Freundin war auch nicht sonderlich hilfreich. Mir ist es nie wirklich gelungen, ihr zu erklären, was ich da eigentlich treibe. Spöttisch gibt sie mir zurück: „Müssen die Kinder um die Zeit nicht schon längst im Bett sein?“ Mit der Frage, wer macht hier eigentlich diesen Job, versuche ich meine und die Ehre aller Streetworker zu retten: „Die Kids sind nicht ohne. Du musst dich in diesem Job sicher verhalten und erfahren sein. Ich wünsche keinem Sozialarbeiter, je ein Ding auf die Fresse zu kriegen.“ Dunkel. Lauter werdende Stimmen. Flaschen gehen zu Bruch. Noch immer keine Sicht, vor allem keine Gesichter. Ein kreischendes Mädchen. Zwei junge Männer wollen irgendeine Sache miteinander austragen. Alles übertönt von Musik aus Miniboxen. Ich habe die Böhsen Onkelz nie gemocht. Ich denke über eine pädagogisch wertvollen Einstieg nach: „Habt ihr auch Rammstein?“ Zu spät. Ich höre nur noch, wie mein Kollege sich als Streetworker vorstellt. Kurz danach. Oder: Was ich immer einmal über Kooperation erzählen wollte. Kooperation ist wichtig. Analysen über Möglichkeiten wie auch Grenzen kooperativer Prozesse liegen längst vor. Aber in Zeiten leerer werdender Kassen ist der Begriff Kooperation zu einem omnipotenten, fast gefährlichen Schlachtruf geworden. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, wer heute Kooperation, Synergieeffekte und Wirtschaftlichkeit nicht in einem Atemzug erwähnt, hat das Leben fast verwirkt. Aktuelles Begehren: Die Kooperation zwischen Schule und Jugendarbeit. Jetzt stehen Modellprojekte hoch im Kurs. Irgendjemand fi ndet sich immer, ob Gutmensch, engagierter Sozialarbeiter, hofi erter Sozialwissenschaftler oder Karrierist. Noch bevor die mit heißer Nadel genähten Modellprojekte inhaltlich ausgewertet worden sind, wird gefordert, kooperative Prozesse, Fusionen und Einsparungen möglichst fl exibel zusammen zu denken. Diesbezüglich empfehle ich jedem, seine intellektuellen Fähigkeiten und/oder Eitelkeiten in Zaum zu halten. Noch bevor Sie mit der Goldenen Hausnummer und oder dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden sind, sitzen zig Beamte auf Ihren Schultern, die nur darüber nachdenken, wie sich Ihre Idee kostensparend auswirken könnte. Der Hinweis von einem Kollegen kürzlich, war aufschlussreich: „Die Zusammenlegung von Schule und Jugend ist vor allem für den Stadtrat für Finanzen interessant. Geht die Musikschule ins Gebäude des Gymnasiums wird ein „Filetstück“ frei.“ Kooperation. Ein zuweilen fahrlässig überhöhtes Phänomen nicht nur der Jugend- und Sozialarbeit. Mit folgenschwerer merkwürdiger Defi nition und vor allem eingeschränkter Haftung: Mittels Synergieeffekten alle gesellschaftlich nicht lösbaren Probleme lösen zu wollen. Folgen individueller Schuldzuweisungen nicht auszuschließen. Erst kürzlich berichtete mir ein Kollege, wie er nächtens schweißgebadet aufwachte. Er hatte im Traum, sicher etwas unüberlegt, seiner Freundin einen Kooperationsvertrag angeboten. Ich frage: Eheberatung? Er meint: Eher Burnout, Therapie! Ich weise unter dem Aspekt der Kostenintensität darauf hin, die Sache noch einmal genau abzuwägen. Der Hinweis, er sei nun wirklich nicht für die Arbeitslosenquote in seinem Stadtteil verantwortlich, macht ihn sichtlich ruhiger. Entschuldigung, ich hab mich verquatscht. Der kurze Draht zu den Partnern ist wichtig. Diese Aussage gibt so ziemlich alles her, was man über Kooperation tatsächlich wissen muss. In unserem Fall ist es ein Gespräch mit dem Präventionsbeauftragten der zuständigen Polizeidirektion. „Kannst du dich nicht mal umhören? Nazis fahren im Rheinsteinpark auf und sprechen Jugendliche an.“ Das nächste halbe Jahr. Vorbeigehen und Quatschen. Wozu habt ihr Lust? Das Vollwaschprogramm der Straßensozialarbeit. Grillen. Eine Wochenendtour planen. Unterstützung bei einer anstehenden Geburtstagsparty. Hilfe bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Wir gehen auch mit zum Arbeitsamt. Schnell noch den Hinweis nachgeschoben: „Na ja, Freitagabend ist es hier schon ganz schön laut.“ Nach unser ersten Fahrt der Spruch: „Macht doch mal die Flaschen und die Kippen in den Mülleimer! Seid nicht ganz so laut! Mein Gott, was sollen eure Eltern denken!“ Wir sind schon etwas verunsichert. Die Kids sprechen hochdeutsch und können sich klar artikulieren. Die Gruppe lädt uns zu einer Party ein. Kommt doch mal in den Park am Coppi-Gymnasium. Sonnabend zum Frühstück. Na, so gegen 16.00 Uhr. Schnell wird uns klar, die machen sich für den Abend warm. Weit mehr als fünfzig Jugendliche veranstalten ein Bierkastenrennen. Beunruhigend viele Gymnasiasten, Erfolg versprechende Realschüler und selbst die Hauptschüler machen nicht den schlechtesten Eindruck. Immer zwei Jugendliche durchlaufen den Park, in ihrer Mitte ein Kasten Bier. Nach jeder Runde müssen beide Läufer ein Bier auf Ex trinken. Gewonnen hat die Mannschaft, die die wenigsten Flaschen im Kasten hat oder noch stehen kann. Diejenigen, auch Mädchen, die dem Schulsport gegenüber nicht ganz so aufgeschlossen sind, drehen sich schon mal einen Joint. Nach drei Stunden, ich bin mir nicht sicher, wie die Truppe den Abend überstehen wird, kommen mir erste Zweifel. Was mache ich hier? Hatte ich meiner Freundin gegenüber die Absage unserer Wochenendtour nicht damit begründet, dass ich „Kinder retten muss“? Ein Jahr später. Die zweite Tour der Gruppe musste unbedingt an den Helenesee führen. Oh Gott, der pure Osten. Klammfeuchte Holzbungalows, deren Renovierungswillen sich einzig und allein darin erschöpft hatte, die Nasszellen neu zu fließen. Offen für den Aufbau Ost begleichen wir die Rechnung sofort und zahlen bar. Ein Fehler, wie sich später herausstellt. Solvente Kunden bekommen eine ausgiebige und detailverliebte Einweisung in Monologform. „Müll dort! Grillen is nich, Waldbrandstufe! 22 Uhr, Zimmerlautstärke! Wir habn Dauercamper! Wer keen Bettzeuch hat, fünf Euro pro Person! Wenn‘s Klopapier nicht reicht, der Konsum hat bis 14 Uhr offen!“ Überrascht von diesem unerwartet herzlichen Empfang erfahren wir, dass am Abend ein Konzert stattfindet. Die Mädchen sind außer sich, bis meine Schlager begeisterte Kollegin aus Braunschweig sie darüber aufklärt, wer eigentlich Achim Mentzel ist. Meine Achtung ihr gegenüber steigt, aber auch die Angst vor weltweiten Verschwörungsphantasien. Sicher war der eiserne Vorhang zuweilen löchrig. Ja, ich kannte Nicole, Marianne Rosenberg und Nena. Aber den Ossi Achim Mentzel kannte noch nicht einmal ich. Ich kann die halbe Nacht nicht schlafen. Meine Kollegin singt in Endlosschleife mit den Mädchen einen Schlager nach dem anderen, durchsetzt mit einem Achim Mentzel Potpourri. Weit nach Mitternacht. Das Gegröle auf dem Campingplatz lässt nicht nach und der Geruch von gegrilltem Fleisch wabert über meine Bettdecke. Mit dem Spruch, is doch gar nicht erlaubt, bin ich drauf und dran, die Dauercamper zur Rede zu stellen. Mit dem festen Vorsatz einschlafen zu wollen, läuft die Zeit rückwärts. November ‘89. Wendezeit. Revolution. Hoffnung. Ich denke an den kämpferischen Elan unserer Studentengruppe in jenen Tagen. Hatten wir nicht bis sechs Uhr morgens bei Horst und Uschi gesessen und uns gegenseitig mit jedem letzten Bier versichert: „Jetzt machen wir die Wende unumkehrbar.“ Wir meinten es ernst. Der Respekt schon lange, jetzt war auch die Vorsicht weg. Geschichte wurde erzählbar. Parteilehrjahr am Montag war kein schöner Wochenanfang. Meine Mutter hat es gehasst. Kamen die Kinder erst Sonnabendnachmittags aus der Schule, war nun auch noch der Sonntagabend versaut. Schauten wir ARD und ZDF, wiesen uns unsere Eltern darauf hin, wir dürften uns in der Schule nicht verplappern. Als wir älter waren, baten uns die Eltern, niemals die Familie anzuschwärzen. Das hätten die Nazis schon gemacht. Die waren abartig. Hatten meine Großeltern mütterlicherseits Weihnachten Besuch aus Bayern, ging mein Vater stundenlang spazieren. Staatsapparat Ost und Besuch West. Begriffe aus dem geschichtlichen Steinbruch. Hart, unvereinbar und gefährlich. Staatsapparat. Dagegen hört sich heute das Wort Staatsdiener sinnenfreudig an. Es klingt so, als wären parteinahe Parteien und ihre parteinahen Lobbyisten, parteinahe Beamte und ihre parteinahen Gewerkschaften ungewollt dem Inzest verfallen. Nur mit dem Begriff „Würde des Amtes“ verbinde ich eine ähnlich ungezügelte Lust. Meine Eltern gingen ins Ausland. Ich stand ein Jahr vor dem Abitur. Die Eltern im Ausland nicht besuchen zu dürfen, versteht nur, wer den wissenschaftlichen Zusammenhang zwischen Weltrevolution und Sippenhaft nicht näher in Frage stellt. Sippenhaft für Funktionsträger. Stalinismus der 80er Jahre. Im Endstadium. Freunde, die ernsthaft und an vorderster Front für den Sieg der Weltrevolution kämpften, weisen heute mein Gejammere kurz und knapp mit dem Hinweis zurück: Günstlingswirtschaft! Als ich im Armeemantel ein Konzert in der Marienkirche besuchte, war ich wochenlang nicht würdig, mich außerhalb der Kaserne zu bewegen. Ausgangsverbot. Der Stasi war es vergönnt, meine Post zu lesen. Die sollen ruhig wissen, was ich denke. Nötig wäre es. Junge Menschen sind stolz und selbstbewusst. Erst viel später begriff ich, dass wir ihnen fahrlässig unser Selbstbewusstsein auslieferten. Mein ehemaliger Schulfreund hatte mich darüber informiert, wie sich ein Armist aus seinem Zug auf einem Wachturm regelrecht selbst hingerichtet hatte. Nicht so einfach, sich eine Kalaschnikow in den Mund zu halten und den Abzug zu betätigen. Als ich meinen Antwortbrief mit „sei herzlich gegrüßt und lieb umarmt“ unterschrieb, war ich mir der Tragweite meines Handelns nicht bewusst. Der mich vorladende Politoffizier ging auf das Ereignis gar nicht ein. Sein Problem war eher anderer „Natur“. Er machte mir in ausweichenden Formulierungen klar, dass in seiner Einheit Homos nicht geduldet werden. Jener Politoffizier wurde später in Unehren entlassen. Er hatte sich jahrelang in der Ostberliner Ludenszene herumgetrieben. Ein Offizier der Nationalen Volksarmee! Da kannte die Partei keinen Spaß. Dagegen hatte der Major unseres Bataillons regelrecht Glück. Er hatte nur den Bautrupp des Regimentes zum Ausbau seiner Datsche „ausrücken lassen“. Zurückgestuft zum Hauptmann unserer Kompanie war er ein wenig leidlich. Seine Frau verkehrte lieber in gehobenen Offizierskreisen. Immer häufiger in seiner Abwesenheit. Der Mann hatte jetzt viel Zeit. Wir nicht mehr. Der subtile Mikrokosmos einer Diktatur führt aber auch dazu, in einer repressiven Gesellschaft halbwegs anständig leben zu wollen. Gegenwärtig gibt es ernstzunehmende Ansätze, diese Rätsel der Zeit vor ‘89 zu entschlüsseln. Auf einen abschließenden Bericht der Historikerzunft wird man allerdings noch einige Zeit warten müssen. Vorlautsein und Vordrängeln war im Osten keine Kopfnote auf dem Schulzeugnis. Aber es gab auch andere sehr unschöne Dinge. Dinge des Alltags. Und Alltag war immer. Versuchen Sie mal am Freitagabend im lichtleeren Ostberlin einen Tisch in einer Kneipe zu ergattern. Ihr bescheidenes Ziel ist es, Ihre Freundin zu einem Glas Wein einzuladen. Tische sind frei, nur nicht für Sie. Das fördert nicht gerade Ihr Vertrauen in eine Erfolg versprechende, apodiktisch höher stehende Gesellschaftsform. Heute lernt jeder angehende Coach im kostenlosen Schnupperkurs, dass die Forderung eines Szenelokals – Sie werden platziert – das Verhältnis zwischen Dienstleistungsnehmer und Dienstleistungsanbieter aufs Schwerste erschüttern könnte. Vergleichbar den Folgen einer historischen Sonnenfinsternis. Den Bauernkrieg 1524, den 30jährigen Krieg, 1848 und 1918 auf einen Tag gelegt: Arbeiterklasse und ihr Pöbel, Leninisten und ihre Abweichler, Intellektuelle und ihre reichlich überforderte Szene im Prenzlauer Berg, Parteifunktionäre und die von ihr hofierte Staatselite, Bürgerrechtler und ihre von der Stasi unterwanderten Dissidenten, Direktoren sozialistischer Kombinate und die mit Westgeld gut bezahlten Handwerker sind sich für einen kurzen geschichtlichen Augenblick einig: „Macht keen Spaß mehr. Is doof. So dämlich kann man Wahlen gar nicht fälschen. Die Truppe ist senil, abartig und völlig humorlos. Nö, jetzt ist Schluss.“ Das eigentliche Verfallsdatum einer längst überfälligen Gesellschaft. Der 4. November. Die mächtigste gewaltlose Demonstration auf deutschem Boden. Die Entscheidung fiel im machtlosen Machtzentrum. In Berlin. Nicht in Leipzig. Dass es nicht zu einem Blutvergießen kam, ist einer bankrotten Volkswirtschaft und einem gescheiterten Gesellschaftsmodell, dem Russen Gorbatschow, den Polen, den Ungarn, den Tschechen, und vor allem den chinesischen Studenten zu verdanken. Juni ‘89. Massaker auf dem Tiammenplatz. Keine chinesische Lösung! Kein Blut vergießen! Keine Gewalt! Gesellschaftlicher Dialog! Den von uns ausgehängten Aufruf unserer Studentengruppe versieht ein Kommilitone mit dem Hinweis: „Nicht abnehmen! Sinnlos! Wir haben ausreichend Kopien!“ Für den Rektor einer Ostberliner Universität ein Tag mit vielen Parteiversammlungen. Der Humor der Stasi hält sich sichtlich in Grenzen. Hoffnungslos überfordert, reicht ihre Zeit nicht einmal mehr aus, herauszufinden, auf wessen Schreibmaschine der Text verfasst worden ist. Verfahren der universitären Parteikontrollkommission der SED gegen Einzelne laufen ins Leere. Drei Funktionäre führen das Verfahren wegen Partei schädigendem Verhalten gegen einen Kommilitonen. Zur Vorladung erscheinen wir mit der halben Seminargruppe. Doppeldeutig ist der Spruch: „Wir bleiben hier! Die anderen sind ja über Ungarn!“ „Das ist eure Meinung. Das ist unsere Meinung. Lasst uns einfach sehen, wie die Sache ausgeht.“ So endet ein Gespräch bei der gefährlichsten Instanz der SED. Ihrer Inquisition. Es ist die kollektive Befreiung aus einer kollektiven Isolationshaft. Die Befreiung von einer zur Religion verkommenen Weltanschauung hat uns davor bewahrt, tatsächlich ‘89er Märtyrer beklagen zu müssen. Auch in Leipzig. Es erklärt auch das sture Nichtreligiöse vieler Ostdeutscher. Ich meine nicht die religiösen Atheisten im stalinistischen Gewand. Man mag verstehen, wenn ich heute auf den mittelalterlich-stalinistischen Vorwurf einiger meiner muslimischen Mitbürger, ich sei ein Ungläubiger, eher zurückhaltend reagiere. Ich hab mich schon wieder verschwatzt. Ich gelobe Besserung. Aber warum spürt man die Unzulänglichkeiten gewaltloser Revolutionen immer zuerst im ländlichen Raum? Wer geistesgegenwärtig ist, Mauerfall, Anschluss Ost, Exodus DDR, Euro und Globalisierung halbwegs zusammen denken kann, ist auf einem brandenburgischen Campingplatz nicht hoffnungslos verloren. Ich habe es oft genug versucht. Vertrauen Sie mir. Hier meine ersten, sicher noch etwas unausgereiften Vorschläge für eine Erfolg versprechende Kommunikation mit dem Brandenburger an sich. Fangen Sie wie folgt an: Nein, ich komme nicht aus Berlin. Nie dort gewesen. Bürgerrechtler oder Öko? Nein, nie mit denen was zu tun gehabt. In die Hand versprochen, ich kenne auch keinen Wessi. Sollte Ihr Geburtsort in der alten Bonner Republik liegen, scheuen Sie jetzt nicht eine kleine Notlüge. Beruhigend wirkt es auch, wenn Sie mit Ihrem Auto nicht vor jedem Grundstück halten und den Anschein erwecken, Restitutionsansprüche geltend machen zu wollen. Fragen Sie in einem Gasthof niemals nach vegetarischem Essen, wenn auf der Speisekarte ausschließlich Eisbein, Leber und Bratwurst stehen. Sie würden eh nur Kartoffeln und Sauerkraut ohne Eisbein, Leber und Bratwurst bekommen. Mit der Provokation, erst vor kurzem sei eine Veganerin, ein wenig erschöpft, in der nahe gelegenen Kiesgrube versunken, gehen Sie gelassen um. Der Brandenburger ist ein Schelm. Haben Sie die sozio-kulturellen Hürden erfolgreich gemeistert, wagen Sie sich auf das politische Parkett. „Kenn se den Pfarrer Eppelmann, den letzten Verteidigungsminister der DDR? Den, der unsere NVA-Soldaten nach Hause geschickt hat?“ „Sie sind doch kein Wehrdienstverweigerer, oder?“ „Nö, hab gedient.“ Christlich gefestigt gilt es jetzt, nicht die Nerven zu verlieren. „Ne, ein brandenburgischer Militärbischof hätte so etwas nie zugelassen.“ „Kenn se den Krause, der, der dem Schäuble unsere Betriebe und Grundstücke verscheuert hat?“ Jetzt müssen Sie sich tatsächlich klug verhalten. Laden sie den Wirt zu einem Bier ein, spielen Sie aber nicht mit seinen Gefühlen. Formulierungen wie, „klar, die Russen haben alles weg geschleppt und im Osten gab‘s ja auch keinen Marshall-Plan“, schaffen eine vertrauensvolle Atmosphäre. Fällt der Name Stolpe, rate ich Ihnen, deutlich die Verdienste des Ministerpräsidenten in den Vordergrund zu stellen. Behalten Sie ihr Wissen um seine Zeit als Konsistorialpräsident einfach für sich. Sie würden eh nur altklug wirken. Kommen Sie auf den gegenwärtigen Ministerpräsidenten zu sprechen, ist folgende Anmerkung hilfreich: „Ja, der Platzeck, unser Deichgraf, guter Junge, ne, der war eigentlich nie ein richtiger Bürgerrechtler.“ Ein guter Augenblick, in die Offensive zu gehen. Bezeugen Sie den Hohenzollern und Ihrem Volk Ehrerbietung. Verwickeln Sie Ihr Gegenüber in ein hochachtungsvolles Gespräch über den Alten Fritz, Friedrich II, Bismarck und seine getreue Langzeitpraktikantin aus Templin, Frau Merkel. Fehler! Geistesgegenwärtig retten Sie sich mit dem Hinweis: Templin, ach ja, zurzeit in Verwaltung des Generalgouvernements Mecklenburg-Vorpommern. Also, wessen beschuldigt man mich eigentlich im Land des roten Adlers? Mangelnden Einfühlungsvermögens? Ja, ein wenig vorlaut habe ich gewagt zu fragen, wie lange die Rezeption offen hat. Auch der Wunsch, nicht verwendete Duschmarken zurücktauschen zu wollen, war weder alternativ, geschweige denn klug vorgetragen. Die Frage, wann wir auschecken können, war, wie ich heute zugeben muss, völlig daneben. Mit der Antwort hätte ich rechnen müssen: „Wenn die Zimmer sauber sind!“ Gegen vier Uhr morgens ermahne ich mich zu mehr Gelassenheit. Mit der Gewissheit in meinem aufopferungsvollen Kampf um „Ein bisschen Frieden, ein bisschen Glück“, nicht auf der falschen Seite gewesen zu sein, finde ich endlich Ruhe. Ich summe noch ein wenig das Lied von Nicole und denke: Du blöder Ossi! Bei der nächsten Revolution musst du noch vorsichtiger sein. Nimm dir ein Beispiel an deinen westdeutschen Mitbürgern. Die würden niemals ihren Glauben und ihr Häuschen verraten. Am nächsten Abend. An Erfahrung gewonnen, sind wir nicht mehr die Einzigen, die nicht grillen. Wir haben unseren Lärmpegel nach oben hin angepasst und die singende Mädchengruppe hat viel Freude. Nach dem zweiten Bier ermutigen wir uns, die schon längst vorliegende Information des Präventionsbeauftragten in eine Frage zu formulieren: Wisst ihr noch, wie wir euch kennen gelernt haben? Wer waren eigentlich die Typen in den schwarzen Ledermänteln? Mann, hört auf. War das eine Zeit. Jede Woche die Zivilbullen. Stress ohne Ende. Zu laute Musik. Kontrolle der Rucksäcke wegen ein paar Flaschen Bier. Die haben uns gefragt, ob es hier Nazis gibt. Mann, irgendwo klebt immer ein Nazi-Spucki! Flyer und Visitenkarten in die Hand gedrückt. Ihnen sind andere Dinge wichtig. Uns auch. Stocky geht seit Wochen nicht mehr zur Schule. Markus hängt seit dem Abitur in der Warteschleife. Seine Freunde meinen sarkastisch, in einem nicht näher definierbaren Selbstfindungsprozess. Tom hat seinen Realschulabschluss erfolgreich hinter sich gebracht. Meine Kollegin wird erst stutzig, als ihn seine Freundin im Streit provoziert: „Cooles Modell, ab drei in der Kneipe an der Trabrennbahn.“ Eine Woche danach. Sozialarbeiter zeigen immer Fotos und Videos. Sie sind angehalten, das gemeinsame Erlebnis pädagogisch auszuwerten. Die Jugendlichen sind diesmal eher zurückhaltend und ein wenig wortkarg. Irgendwann, nach der zweiten Cola, platzt ein Mädchen mit der Frage raus: „Hättet ihr mit uns auch was unternommen, wenn ihr gewusst hättet, dass wir keine Nazis sind?“ Damit hätten wir rechnen müssen. Mit dem Wunsch nach einer Zigarettenpause spielt mein Kollege geschickt auf Auszeit. Augenkontakt. O.k., es ist an der Zeit, Klartext zu reden. Die ganze Geschichte. Die Truppe versteht sofort. Nur ich habe erhebliche Schwierigkeiten, die Zusammenhänge in meinem Kopf zu sortieren. Es gibt immer weniger Geld für Jugendarbeit. Für die Mehrzahl junger Menschen immer weniger Angebote. Randgruppen sind im Trend. Die Schlacht um diese Zielgruppen, entsprechende Sonderprogramme und deren Ressourcen hat in den Jugendhilfeausschüssen längst begonnen. Im Angebot: Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Im Jugendbereich gibt es diesbezüglich zwei berechtigte Strategien. Zum einen der gesellschaftlich und allgemein anerkannte Kampf gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Die Abgrenzung ist aber nur eine, wenn auch berechtigte, Seite einer Medaille. Weniger anerkannt, die Auseinandersetzung mit jungen Menschen, die fremdenfeindlichen und oder rechtsextremen Orientierungen gegenüber aufgeschlossen sind. Erstere, Sonderprogramme gegen Rechtextremismus richten sich vorwiegend mit Analysen, Aufklärung, Fortbildung und Aktionsbündnissen an eine aufgeschlossene, engagierte und zu Recht verunsicherte Zivilgesellschaft. Gut gemeint, neigt aber in Zeiten fi skalischer Engpässe und begrenzter Fördergelder so manche Rechtsextremismus-Studie zu messianischem Übereifer. Da bleibt kein Kreuz auf dem anderen. Der Vorwurf der Gotteslästerung ist der geringste. Diesbezügliche Anhörungen in einem Jugendhilfeausschuss kommen einer hochnotpeinlichen Befragung verdächtig nahe. Die Frage zum Beispiel, inwiefern Platzwarte auf den Sportanlagen antirassistisch und interkulturell gebildet werden, treibt jedem gutgesinnten, dem Anliegen gegenüber aufgeschlossen Vertreter des Bezirksamtes regelrecht den Schweiß auf die Stirn. Im Saal meint man zu sehen, wie die ersten Holzscheite zusammen getragen werden. Danach sucht jeder halbwegs sortierte Stadtrat, im Innersten aufgewühlt, wahllos einen geneigten Gesprächspartner, sei es in der Meldestelle, im Stadtpark oder in der nächsten Bahnhofsgaststätte. Erst spät in der Nacht wird es ihm gelingen, seine Gedanken halbwegs zu ordnen: Studie. Sehr viele Nazis. In meinem Stadtbezirk. Wie wird die Fraktion reagieren? Versetzungsgesuch? Du musst mit deiner Frau reden. Sie kennt bestimmt noch freie Stellen im Überhang des öffentlichen Dienstes. Meistens ist es der Fachleiter, der vorsichtig erste Fragen formuliert. Politisch korrekt versichert er, dass die negativen gesellschaftlichen Entwicklungen nicht zu unterschätzen sind. Etwas enttäuscht ist er schon, dass die Studie die praxisrelevanten Vorschläge für den Bezirk vornehmlich seinem Jugendhilfeentwicklungsplan und den Empfehlungen der Kollegen vor Ort entnommen hat. Sonderprogramme erden sich an der Praxis. Die Jugendlichen berichten uns 1:1 darüber, womit mich meine Tochter schon vor Jahren ausgehebelt hat. Humanistisch aufgeschlossen, konnte sie es irgendwann nicht mehr hören: „Papa, seit der fünften Klasse setzen wir uns in jeder Klassenstufe mehrmals mit dem Thema Rassismus, Antisemitismus und Nationalsozialismus auseinander.“ Die Kids schildern die Situation auf ihrem Gymnasium: „Mann, ist das anstrengend! Wer nicht mit der Antifa ist, steht in der rechten Ecke.“ Ich erinnere mich an eine Rechtsextremismus-Studie aus dem Bezirk Prenzlauer Berg und ahne, was die Jugendlichen mit diesem vereinfachten Rechts-Links-Schema meinen: „Im Sinne einer begrifflichen Unterscheidung werden Jugendliche, die nicht rechtsextrem orientiert oder rechtsextrem sind, als ,nicht rechts‘ bezeichnet.“ Das macht den weltanschaulichen Findungsprozess eines jungen Menschen auch nicht gerade einfacher. Nach der vierten Cola bringt ein Jugendlicher die Sache auf den Punkt: „O.k.! Verstanden! Bloß nicht vom rechten Weg abkommen.“ Sie sind erleichtert, als wir ihnen zusichern, sie auch weiterhin zu betreuen: „Nein, ihr müsst keine Nazis sein.“ Eineinhalb Jahre später. Es gibt Sternstunden in unserem Job. Wir sind uns sicher, dass Stocky seinen Abschluss schaffen wird. Das Gespräch mit ihm und seinem stellvertretenden Direktor war wichtig. Tom nimmt die Termine bei unserem Jobteam wahr, einem unserem Verein angegliederten Projekt zur Ausbildungs- und Berufsvermittlung. Markus signalisiert, dass er jemanden braucht, der ihm „in den Arsch tritt“. Das ist das eigentliche Vollwaschprogramm. Jeder halbwegs erfahrene Sozialarbeiter würde jetzt gerne Unpässlichkeit vortäuschen. Sie ahnen, was ich meine: Handwäsche, mehrfach spülen, nass aufhängen, bügeln und ordentlich in den Schrank legen. Erst nach dem dritten Anlauf fällt Ihnen auf, da fehlt doch irgendetwas. Okay, muss auch ohne Schrank gehen. Es wäre nicht das erste Mal, dass noch irgendetwas fehlt. Alles halb so schlimm; und lese noch einmal die Überschrift der Geschichte: Schwarze Ledermäntel und Neonazis im Rheinsteinpark. Marie Luise Gunst und den Tänzern von den Funky Raccoons mit einem Auszug aus dem Tehaterstück “Promille Ambulanz” Khaled mit seinem Monolog aus der Rap-Oper Monolog aus der Rap-Oper: “Stadt der toten Träume” Ich hab mich verlobt mit meiner Frau. Wir wollen heiraten und so. Ich hab sie kennengelernt kurz nach dem ich aus dem Knast kam. Drei Jahre hab ich abgesessen wegen … ist ja auch egal, Schnee von gestern. Als ich aus dem Knast kam, hab ich meine Familie gerade noch aus dem Ghetto holen können … und dann sind sie weg, versteht du? Sie sind weg. Nach Libanon -und für immer dort geblieben. Und dann hab ich Bonnie kennengelernt. Sie ist das Beste was mir je passiert ist. Ich hab ihr ein Antrag … von mir aus kam der Antrag … und dann, dann hab ich mich überschätz. Ich kann keine Hochzeit bezahlen, obwohl ich nie leere Versprechungen mache. Woher denn soll ich ne Hochzeit zahlen? Ich steck ganz schön in der Scheiße, dabei hat alles so gut ausgesehen. Ich hatte ab und zu Jobs, so Pendel-Jobs, Pizzalieferant und so … ach was weiß ich. Ich wollte den Laden übernehmen. Mein eigener Laden. Selbständig sein. Irgendwas is schiefgelaufen. Und jetzt? Ich bewerbe mich so oft ich kann. Ich geh sogar persönlich hin und was kommt raus am Ende: Nein. Vorbestraft! Es liegt an meinen Vorstrafen. Nur weil ich irgendwann mal Scheiße gebaut habe, muss ich heute immer noch dafür bezahlen. Ich weiss nicht was ich machen soll. Ich hab keine Ahnung, ich bin ratlos … ich bin einfach nur ratlos. Vielleicht liegt es auch daran, daß ich Araber bin, oder Moslem ? Ich weiss nicht. Ich bin doch Deutscher. Ich bin hier geboren. Ich lauf zum Jobcenter und dann kommt wieder, nein tut mir leid, Vorstrafen, sowas brauchen wir nicht. Ich bewerbe mich und krieg keine Antwort drauf. Die reduzieren mich auf einen Fehler den ich mal gemacht hab. Ich bin eine Akte für die -mehr aber auch nicht. Ich hab wieder angefangen zu verticken, so ne neue Designerdroge. Ich wollte das nicht mehr, ich wollte das hinter mir lassen – aber was soll ich machen. Wenn Bonnie das herausfindet … sie würde mich verlassen. Ich muss es tun. Ich muss ihr eine Zukunft bieten können. Muss ihr ein Fundament geben. Ich hab ihr eine Zukunft verspochen. Ich hab ihr unsere Zukunft gezeigt die es gar nicht gibt. Ich hab sie mir aus dem Kopf gezogen. Ich sag Bonnie komm, bauen wir ein Haus, wir werden Familie haben, heirate mich. Und ich kann nichts bezahlen, gar nichts. Ich kann nicht mal die Trauung zahlen, kein Ring … Scheiße. Pyranja und Gigo Flow singen Mensch bleibt Mensch Mensch bleibt Mensch Ich war noch jung und hab’s nicht richtig wahrgenommen Den Rassismus nicht gespürt, ich hab mich normal benommen Meine Hood zu verlassen, wäre für mich nicht in Frage gekommen Darauf bin ich erst mit 21 Jahren gekommen Glaub mir im Osten von Berlin gehen viele Meinungen nach rechts Ich war zu klein um zu kapieren, warum sie weiß sind und ich nicht Warum ich ab und zu Beleidigungen krieg So was wie: Nigger oder Bimbo, dieser Scheiß war echt verrückt Ich war das schwarze Schaf manchmal auch der schwarze Peter Dreimal schwarzer Kater, der Entschluss bei mir, der kam erst später Die Leute guckten mich an, als wär ich außerirdisch Und ich hatte immer den Eindruck, keiner brauch mich wirklich Jedes mal beim Einkauf wurde immer dreimal geklingelt Weil die Kassiererinnen dachten, ich verheimliche Dinge Wenn was weg oder kaputt war, stand der Täter schon fest: Der Maximalpigmentierte wars. Nehmen sie ihn fest! REFRAIN: Jeder Mensch ist gleich Warum sucht ihr Unterschiede? Heute wollen wir euch Grenzen zeigen Wir vertreten unsere Ziele Für die Menschlichkeit und probieren, was umzubiegen Bis ihr es endlich begreift, viele sind unzufrieden Jeder Mensch ist gleich Warum sucht ihr Unterschiede? Bloß weil ihr am Ende seid, sucht ihr ein Grund zum Schießen Doch heut zutage lässt sich keiner mehr den Mund verbieten Jeder Mensch ist gleich und es steht bis zum Ende unentschieden In meinem alten Viertel steht ein Sonnenblumenhaus Und immer wenn ich es sehe denke ich an einen schwarzen Rauch Blutroter Himmel, Hass und massenhaft Applaus In Lichtenhagen geht man nur mit Bomberjacke raus Glattrasierte Stiernackencliquen in den dunklen Straßen Mit Butterfly und Stahlkappen, Basen gegen Asylanten Hab das nie verstanden, bei Menschen bin ich farbenblind Sie fragen mich, warum ich rap, obwohl ich doch so arisch bin Die unterpigmentierte Ossibraut vom Plattenbau Hat die braune Scheiße satt, weshalb sie auf die Kacke haut White Trash, Black Music und ich irgendwo dazwischen Soulfood mit Kartoffelpü so in etwa meine Mission Bester Freund abgeschoben, Kloppe in der Straßenbahn Weil die Sprüche von Passanten nicht mehr zu ertragen waren Wann immer was im Arsch war, stand der Täter schon fest Jeder weiß es, keiner sagt es doch der Neger hat recht den Mädchen von MyStyle mit Auszügen ihrer Modenschau “Von Dick & Dünn zu MyStyle” Marie Luise Gunst mit einem Auszug aus dem Theaterstück “verDÜNNisiert” Auge und Akira mit ihren Comic-Zeichnungenhttps://www.youtube.com/watch?v=-K2vyAeAQyA Menschenfleisch Records mit dem Final-Song Wir sind für euch da Wir sind für euch da Es sind schwere Zeiten, Ich kämpfe mit mir It’s a Hard knock life und manchmal viel zu viel Last auf den Schultern, die einfach nicht weggeht Hektik schrecklich, ich vertrage Stress nicht Gib mir einen Timeout! Hol mich raus aus dem Alltag! Diesen monotonen Rhythmus, der mich in seiner Gewalt hat Ich will es gut haben, ein bisschen Guthaben Ich brauch nur wenig, auch keine extra Zutaten Mein Rücken zwickt vom Becken ins Genick An der Arbeit erstickt heißt es bald in der BILD Nicht weiter wild Vom Amt gibt es Nachschub Zeitarbeiter klettert die Karriereleiter ganz hoch Es gibt wenig Dinge die einen aufmuntern Wir hören nur Schlechtes, man würde sich auch wundern Mach mir Mut! Wo finde ich Sicherheit? Bis zum Burnout ist es bei mir nicht mehr weit REFRAIN Wir sind für euch da Sie lassen uns nicht hängen Wir sind euer Leben Sind wir euer Grab? Wir sind groß und stark Wir sind langsam alt und zerbrechlich Wir sind euer Leben Ich will was Großes schaffen Warum gibt es Tod durch Waffen? Ich will alles anders machen doch sag mir: Wie soll ich das packen? Es ist nicht einfach, ich bin down, alles zieht nur runter Ich hör das Lied, der Beat macht munter, Doch irgendwie geht alles unter Aber zusammen, alle mann müssen aufstehen Nur so kann man was ändern, Ja, wir müssen unsere Faust heben Das ist ein raues Leben, es ist nicht immer glatt und eben Ja, es ist ein graues Leben, wir müssen es ausmalen gehen Also los Mann! Ich pack es jetzt an Ich höre nicht hin wenn jemand sagt, dass ich nichts schaffen kann Ich beiß die Zähne zusammen und ich mache jetzt meinen Mund auf Doch ich rede nicht lang, weil das keinen Baum umhaut Wir haben alle zu tun, ja, was kann ich schon machen? Manchmal lass ich den Kopf hängen, kann einfach nicht lachen Ich sag, lass mich in Ruh und lass mich mal mein Ding machen! Und komme zu dem Entschluss: Nur zusammen können wir es schaffen! REFRAIN Wir sind für euch da Sie lassen uns nicht hängen Wir sind euer Leben Sind wir euer Grab? Wir sind groß und stark Wir sind langsam alt und zerbrechlich Wir sind euer Leben Was wären die Darbietungen ohne die grandiose Leistung der Techniker???? Daher vielen Dank auch an: Anett Krause, Rene Kusatz, Uwe Sesser Tobias Diekmann, Sven Rehberg, Ralph Freier alias Harry, Christian Hoffmann, den Jugendlichen des Projektes G.I.G.A., Pro Light – Thomas Walz, AVE – Jan Musigk, Hacksound – Stefan Knetsch, Theater an der Parkaue – Henning Beckmann! Und last but not least: Ohne sie wäre gar nix gelaufen. Vielen Dank der Regisseurin, dem kreativen Kopf, der Strippenzieherin, der Frau, die auch dann die Nerven behält, wenn 5 Minuten vor Beginn noch nicht alle Akteure anwesend sind. Vielen Dank Tanja Ries! Hinterlasse eine Antwort Antwort abbrechenDeine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.KommentarName* Email* Webseite