Prozeßkostenhilfe und Beratungshilfe – staatliche Hilfe bei Rechtsstreitigkeiten Gangway e. V. 23. März 2016 Anti-Gewalt- und Soziale-Kompetenz-Trainings Übernahme der Rechtsanwaltskosten und Kosten eines Gerichtsprozesses – Wann bekommt man Hilfe? Für Eilige: Kurzfassung Beratungshilfe ist finanzielle Hilfe vom Staat, der die Kosten für eine Beratung durch einen Rechtsanwalt übernimmt – geregelt ist sie im Beratungshilfegesetz. Sie steht dem zu, der rechtsanwaltliche Hilfe benötigt und die Kosten aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation nicht selber tragen kann. Sie wird nicht gezahlt, wenn Hilfe anderweitig zu bekommen ist, z.B. bei Mietberatungsstellen, Verbraucherberatung u.a.. Der Antrag ist entweder bei dem Amtsgericht zu stellen, in dessen Bezirk die hilfesuchende Person wohnt oder bei dem für die jeweilige Kanzlei zuständigen Gericht. Dies geschieht mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichtes oder schriftlich durch ein Formular. Die Antragstellung kann vor oder nach der ersten anwaltlichen Beratung erfolgen. Prozeßkostenhilfe (früher: “Armenrecht”) ist die Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen und umfaßt die Gerichtsgebühren, Vorauszahlungen an die Gerichtskasse und Anwaltskosten. Beratungs- und Prozeßkostenhilfe haben nichts mit der Kostenübernahme für einen Pflichtverteidiger zu tun Für Ausdauernde: Einzelne Erklärungen 1. Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe – was ist das? Beratungshilfe bekommt man, wenn man sich die Kosten einer rechtsanwaltlichen Beratung nicht leisten kann. Beratungshilfe wird für außergerichtliche Wahrnehmung von Rechten. Prozesskostenhilfe wird gezahlt, wenn man sich seine Rechte vor Gericht erstreiten bzw. sich gegen Beschuldigungen wehren muss. Voraussetzung für Prozesskostenhilfe ist, daß ausreichende Aussichten bestehen, den Prozess zu gewinnen. Daher ist zu empfehlen, so lange wie möglich Beratungshilfe schon vor Planung eines Prozesses in Anspruch zu nehmen, weil die Beratungshilfe unabhängig von Erfolgsaussichten gewährt wird. 2. Wer bekommt Beratungshilfe? Gesetzliche Grundlage ist das “Gesetz für Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen” (Beratungshilfegesetz, BerHG). Sie gilt für das Zivilrecht, Verwaltungsrecht (umfaßt alle Beziehungen zu Behörden, Ämtern etc.), Verfassungsrecht (Grundrechte), Strafrecht, Ordnungswidrigkeitenrecht (z.B. Straßenverkehr) und für das Arbeits- und Sozialrecht in den Ländern im Bereich der ehemaligen DDR gewährt. Die Beratungshilfe im Bereich des Strafrechts ist allein auf die Beratung gerichtet und umfasst nicht die Vertretung/Verteidigung! Damit ist aber nicht zu verwechseln, daß die Übernahme der Kosten für einen Pflichtverteidiger im Strafverfahren eine „andere“ staatliche Hilfe ist. Das hat hiermit nichts zu tun! Beratungshilfe bekommt, wer die erforderlichen Kosten für die Wahrnehmung seiner Rechte nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann; wem nicht anderen Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme zuzumuten ist wer seine Rechte nicht mutwillig durchzusetzen versucht. Beratungshilfe kann in Anspruch genommen werden, wenn Rechtsfragen außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens zu klären sind. In Ausnahmefällen wird auch die Vertretung des Rechtssuchenden übernommen, § 2 BerHG, wobei z.B. die Erstellung von Schreiben, Telefonate und Vorsprachen des Beraters gemeint sind. Voraussetzung ist auch, daß keine andere Möglichkeit der Beratung zur Verfügung steht, auf die die Ratsuchenden “zumutbar” zurückgreifen können: Das ist z.B. der Fall in mietrechtlichen Auseinandersetzungen – hier gibt es in jedem Bezirk Mietberatungsstellen, die ihren Service entweder kostenlos oder gegen geringe Kosten anbieten – das wäre “zumutbar”. Ebenso ist es u.U. zuzumuten, sich mit seinem Anliegen an eine Verbraucherzentrale zu wenden. Beratungshilfe kommt aber auch für gelandene ZeugInnen in Frage zur Klärung des Verhaltens vor Gericht, denn diese Situation ist für die Geladenen auch erst einmal in der Vorbereitung eine “außergerichtliche”. Zudem haben ZeugInnen und deren Beistände keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe! Die ganzen Kosten für anwaltliche Beratung werden im Rahmen der Beratungshilfe für Personen übernommen, denen nach Abzug aller Kosten (wie Steuern, Sozialabgaben, Versicherungsbeiträgen, Miete, Heizung, etc.) weniger als 462 € im Monat (Stand: Januar 2015) bleiben. 3. Wie bekommt man Beratungshilfe? Man bekommt sie, indem man einen Antrag beim Amtsgericht stellt (dort bei der Rechtsantragstelle), in dessen Bezirk der Ratsuchende wohnt oder der Kanzleisitz der betreffenden RechtsanwältInnen ist. Dies muß nicht unbedingt vor dem ersten Gespräch mit den AnwältInnen geschehen, ist aber anzuraten. Zur Antragstellung sollte man gleich einen Einkommensnachweis (Lohnbescheinigung, ALG I- oder ALG II-Bescheid, etc.) und Belege über die monatlichen finanziellen Belastungen (Miete, etc.) mitbringen. Das Gericht stellt dann einen Berechtigungsschein aus – man muss aber u.U. einen Eigenanteil von einmal 10 € zahlen. Lehnt das Amtsgericht die Beratungshilfe ab, weil irgendwelche Voraussetzungen nicht erfüllt sind, dann kann man dagegen vorgehen und das mit einer „Erinnerung“ an das Gericht. 4. Die Prozesskostenhilfe Auseinandersetzungen vor Gericht sind nicht kostenlos. Grundsätzlich trägt der die Kosten, der unterliegt. Die Prozesskostenhilfe ist in den §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt und gilt auch für andere Rechtsbereiche. Prozesskostenhilfe wird im Rahmen eines schon begonnenen oder eines bevorstehenden (“anhängigen”) Rechtsstreites bei Gericht gewährt. Dabei ist es egal, ob der Prozess von Ihnen oder gegen Sie geführt wird. Sie gilt für das Zivilrecht, Verwaltungsrecht, Sozialrecht, Finanzgerichtliche Verfahren und Arbeitsrecht. Wichtig ist aber, dass Aussichten auf ein Obsiegen (Klage gewinnen bzw. die gegen einen geltend gemachten Ansprüche werden als nicht richtig angesehen vom Richter) bestehen, d.h. mutwillige Klagen von Querulanten werden nicht unterstützt. Außerdem darf der Antragsteller persönlich und wirtschaftlich nicht in der Lage sein, den Prozess zu führen. Besteht bereits ein Anspruch auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II oder dem SGB XII, liegt diese Voraussetzung für die Gewährung von PKH vor. Es bedarf keiner weiteren Überprüfung der Einkommensverhältnisse. Andernfalls werden vom monatlichen Bruttoeinkommen in Abzug gebracht: Steuern Vorsorgeaufwendungen (gesetzliche und angemessene private Versicherungsbeiträge) berufsbedingte Aufwendungen (z. B. Fahrtkosten, Arbeitsmittel) angemessene Wohn- und Heizkosten Freibeträge von 462,00 € für den Antragsteller, 462,00 € für dessen Ehegatten/Lebenspartner, sowie Freibeträge für Kinder (zwischen 268,00 und 349,00 €) Verbleibt hiernach ein „einzusetzendes Einkommen“ unter 30,00 €: wird ratenfreie PKH gewährt. über 30,00 €: wird in gesetzlich festgelegten Grenzen PKH mit Raten gewährt. (Stand: Januar 2015) Die Überschreitung der Freibeträge bedeutet daher für die Prozesskostenhilfe nicht etwa, dass sie nicht bewilligt werden kann, sondern nur, dass Sie mit einer Ratenzahlungsanordnung rechnen müssen. Beratungshilfe ist dann aber nicht mehr möglich. Dabei ist es vorteilhaft, so viele wie mögliche berücksichtigungsfähige Belastungen angeben zu können, damit die Berechnungsgrundlage für den Eigenanteil des Antragstellers möglichst gering gehalten wird. 5. Wie bekommt man Prozesskostenhilfe? Sie wird bei der Rechtsantragsstelle des Gerichts beantragt, bei dem der Prozeß geführt wird. Dabei entscheidet das Gericht, ob die Vertretung durch AnwältInnen notwendig ist, d.h. eine anwaltliche Vertretung steht nicht im Belieben des Antragstellers. Wird die Gegenseite anwaltlich vertreten oder herrscht Anwaltzwang, dann geschieht die Beiordnung eines Anwalts oder einer Anwältin und die Kostenübernahme problemlos. Beim Antrag auf PKH muss unbedingt das Formular “Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- und Verfahrenskostenhilfe” ausgefüllt und zusammen mit dem Antrag eingereicht werden. Wichtig ! Prozesskostenhilfe umfasst nur die Gerichtskosten und die eigenen Anwaltsgebühren. Verlieren Sie den Prozess, müssen die Anwaltsgebühren des Gegners auch dann bezahlt werden, wenn Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Das Prozessrisiko bleibt deshalb in diesem Umfang bestehen! Weitere Informationen zur Beratungshilfe bekommen Sie hier Weitere Informationen über Prozuesskostenhilfe sowie die Formulare zum Download gibt es hier . 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