Arbeiten im Hotspot Micky Patock 21. Oktober 2020 Team Neukölln Wir arbeiten in einem, wenn es nach den Medien geht in dem, Corona-Hotspot Deutschlands. Nord Neukölln. Auf unseren regelmäßigen Rundgängen durch die nördlichen Regionen des Bezirks, kommt es uns im Moment tatsächlich jedoch nicht so vor, als wären wir in einem Corona-Hotspot Gebiet unterwegs. Im Gegensatz zu der ersten Corona-Welle Anfang des Jahres, wo sowohl auf den Straßen als auch im öffentlichen Nahverkehr spürbar weniger los war, sind Bahnen, Straßen und Geschäfte in diesen Tagen voll. Zum Teil sogar überfüllt. Wer, wie wir, täglich die U-Bahnstation am Hermannplatz benutzt, erlebt nicht nur volle Bahnen, sondern kann den Bahnsteig der U8 im Moment nur über einen einzigen Zugang vom Hermannplatz erreichen bzw. verlassen. Der zweite Zugang ist seit längerer Zeit geschlossen. Abstandhalten wird da schwierig. Danke liebe BVG. Überhaupt werden die Abstandsregeln aus unserer Erfahrung eher mittelmäßig eingehalten. Auf Rolltreppen, in Geschäften oder Restaurants erleben wir täglich, dass 1,50 m scheinbar eine sehr variable Maßeinheit ist. Ebenso scheint für viele das richtige Tragen einer Mund-Nasen-Maske einiges an Interpretationsspielraum zu bieten. Denn immer wieder sehen wir Menschen, die die Mund-Nasen-Maske, eher als Mundbedeckung verstehen und die frische Neuköllner Luft ihre freilegende Nase umweht. All das kombiniert mit der bereits beschrieben Situation, nämlich der das die Straßen Neuköllns im Moment nicht gerade leer sind, hinterlässt bei uns nicht selten ein ungutes Gefühl auf unseren Rundgängen. Nachdem die Menschen Anfang des Jahres sehr vorsichtig und zum Teil sogar ängstlich waren und der Sommer in Bezug auf Angst und Bedenken vor Corona relativ ruhig verlief, hat sich das Leben jetzt scheinbar wieder normalisiert. Das passt natürlich nicht zur aktuellen Situation in der die Infektionszahlen beängstigend rasant steigen. Auch die jungen Menschen mit denen wir in unserer Arbeit Kontakt haben, haben ihr Verhalten im Vergleich zur ersten Welle Anfang des Jahres verändert. Am Anfang war der Großteil der Jugendlichen mit denen wir arbeiten vorsichtig und hat in der Regel die Hygienemaßnahmen ernst genommen. Doch umso länger die Pandemie anhält, um so schwieriger scheint es vielen zu fallen sich weiterhin so strikt an die Regeln zu halten. Das ist aus unserer Beobachtung aber kein jugendtypisches Problem. Was wir auf den Straßen Neuköllns, im öffentlichen Nahverkehr oder in Geschäften und Restaurants erleben, ist keine Beobachtung die sich nur auf Jugendliche bezieht, es sind altersunabhängige Beobachtungen. Allen Altersgruppen scheint es viel schwerer zu fallen sich an die Regeln zu halten, als wie zu Beginn der Pandemie. In Bezug auf die Jugend während der Pandemie, ist es uns aber wichtig herauszustellen, dass es sich bei der Jugend ja um jugendliche Menschen handelt. Menschen die eben noch nicht erwachsen sind, die sich gerade noch selber entdecken und nicht selten mit sich selbst, aber auch mit der sie umgebenden Welt auf Kriegsfuß stehen. Sie sind in einer ganz besonderen Phase in ihrem Leben. Der Kontakt mit anderen Jugendlichen in der eigenen Peergroup zum Beispiel, ist den meisten sehr wichtig und ist zudem auch ein notwendiger Raum für wichtige Sozialisationsprozesse in der jugendlichen Entwicklung. Jugendliche in der Pubertät, sind zudem in einer Phase ihres Lebens, in der es neben anderen Dingen auch darum geht in den Widerstand zu Eltern oder Lehrer*innen (oder auch zu Sozialarbeiter*innen wie wir es sind) zu gehen. Es geht auch darum eigene Vorstellung von richtig und falsch zu entwickeln und zu definieren und sich von bisher vorherrschenden Autoritäten zu emanzipieren. Doch all das steht im Widerspruch zur Momentanen Situation. Einer Situation in der wir alle möglichst wenig Kontakt zu anderen Menschen haben sollen, in der es nicht darum geht was ich persönlich für richtig oder falsch halte und in der wir uns an immer mehr Regeln halten müssen, die alles andere als Spaß machen. So ist gerade für junge Menschen, die aktuelle Situation eine absolute Herausforderung. Das soll keine Entschuldigung für das Verhalten mancher Jugendlicher sein, aber es soll verdeutlichen, dass es vielleicht nicht wirklich fair ist wenn im Moment gerade die Jugend als unvernünftige und treibende Kraft in den Mittelpunkt der Kritik gestellt wird. Wir ärgern uns definitiv mehr über die unzähligen Erwachsenen, die genauso unvernünftig und verantwortungslos während diese Pandemie agieren. Die sollten es nämlich eigentlich besser wissen und vor allem besser machen. In unserer Arbeit mit jungen Menschen spiegeln sich unsere aktuellen Beobachtungen darin wieder, dass wir bei Terminen oder Aktivitäten mit Jugendlichen immer wieder daran erinnern müssen, dass sie sich die Hände waschen sollen, dass sie die Masken richtig tragen sollen oder dass sie bitte den Mindestabstand bei der Begrüßung einhalten. Aber auch in Gesprächen mit ihnen hören wir immer öfters, dass sie in größeren Gruppen unterwegs sind, dass sie z.B. Stress mit Fahrgästen in der U-Bahn hatten, weil sie keine Maske getragen haben, dass Corona eh nicht schlimmer als eine normale Grippe ist. Oder das sie Jugendliche kennen, die eigentlich in Quarantäne sein sollten, aber trotzdem draußen mit ihnen unterwegs sind. Wir arbeiten also zum Teil mit Jugendlichen die die ganze Situation nicht mehr wirklich ernst nehmen. Nicht alle, aber es werden gefühlt immer mehr. Für uns bedeutet das, dass wir uns im Moment permanent überlegen, ob und vor allem wie wir mit bestimmte Gruppen und Jugendlichen arbeiten. Denn auch wir müssen darauf achten, das Risiko einer Ansteckung für uns zu minimieren. So rücken nun wieder Einzeltermine im freien, Telefon, Instagram und das Internet im allgemeinen in den Vordergrund. Wobei Aktivitäten im freien immer schwieriger werden und wir generell befürchten, dass die Jugendlichen die bei der ersten Welle noch gut über digitale Medien zu erreichen waren, diesmal weniger positiv auf diese Art der Kontaktangebote reagieren werden. In einem Corona-Hotspot zu arbeiten bedeutet für uns also, in einem Bezirk zu arbeiten wo alles seinen normalen Gang geht, während die Straßen, Bahnen und Geschäfte doch eigentlich leer sein sollten. Und es bedeutet, sich permanent die Frage zu stellen was eine Risikosituation ist und was nicht. 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